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Artikel auf Finews: Banking: Mit 40 Jahren kann es vorbei sein

Weder langjährige Treue noch Kaderposition schützen im Banking vor Entlassungen – und die Fallhöhe gerade für ältere Mitarbeitende ist gross, wie finews.ch aufzeigt.

Der Private Banker ist dem Mann immer noch anzumerken, der in einem Zürcher Café sitzt. Dezentes Auftreten, engagiert im Gespräch, ein Sinn fürs Detail: Das alles hat er sich in drei Jahrzehnten bei derselben Schweizer Grossbank angeeignet, wo er bis in den begehrten Rang eines Managing Director aufstieg. Bis plötzlich – für ihn aus völlig heiterem Himmel – die Jobaxt herabfiel.

«Was ich als Erstes gefühlt habe, war ein enormer Vertrauensbruch», erinnert er sich an den Tag seiner Entlassung. So kalt erwischt zu werden, das wünscht er auch heute noch niemandem. Sein dringender Rat an alle, die heute noch für Grossbanken tätig sind, lautet deshalb: «Überlegen Sie sich schon mit 40 Jahren eine Alternative zu ihrer Bankkarriere.»

Raueres Klima

Dass man sich bei den beiden Schweizer Grossbanken seines Jobs nicht mehr sicher allzu sicher sein darf, ist bekannt. Seit der Finanzkrise von 2008 und dem Jahr 2016 verschwanden bei der UBS und der Credit Suisse (CS) laut dem letztjährigen «Bankenbarometer»rund 8’000 Vollzeitsstellen. Und wie es in der Branche heisst, schützen weder lange Treue zum Unternehmen noch Kaderposition vor einer Entlassung. Allein 2017 reduzierte die UBS die Kündigungsfristen für das Direktionskader in der Schweiz von sechs auf drei Monate, wie finews.ch damals berichtete.

Jan B. Keller, der mit seiner Firma Mindyourstep am Zürcher Bankenplatz als Karrierecoach und Personalberater unterwegs ist, schliesst daraus das gleiche wie der Ex-Banker vor seiner Kaffeetasse. «Im Sinne einer wirkungsvollen Präventionsmassnahme können Mitte 30 und Mitte 40 die beruflichen Weichen relativ einfach neu gestellt werden.»

Keller glaubt, dass eine Schätzung der vergangenen Jahre sowohl bei der UBS als auch bei der CS weiterhin Gültigkeit hat: «Weniger als 15 Prozent der Mitarbeitenden werden bei den Grossbanken noch ordentlich pensioniert», sagt er.

Überzählig und schwer vermittelbar

Wer Jahrzehnte lang den gleichen Job mache, werde nicht nur eher überzählig, warnt der Karrierecoach. Sondern am Arbeitsmarkt auch schwer vermittelbar. Die Gefahr ist Keller zufolge real. Die Entlassung von Über-50-Jährigen Bankern geschehe meist aus Kostenüberlegungen, wobei die Aufwendungen für die Pensionskassen ein wichtiges Argument darstellten.

Trennen sich die Grossbanken systematisch von älteren, in der Tendenz teureren Mitarbeitenden? Träfe dies zu, stünde die Praxis krass im Gegensatz zu den landesweiten Bemühungen, ältere Mitarbeitende im Job zu halten.

In der Schweiz gibt es laut einer aktuellen Studie der Beratungsfirma PWC damit gar einiges zu gewinnen. Island, Neuseeland und Israel sind demnach führend bei der Beschäftigung von Über-55-Jährigen, die Schweiz belegt Platz 13. Würde die Schweiz nun die Beschäftigungsrate der über 55-Jährigen auf das Niveau von Neuseeland heben, entspräche dies einem langfristigen BIP-Wachstum von knapp 50 Milliarden Franken, so die Berater.

Unfaire Schonung?

Beide Grossbanken betonen auf Anfrage, dass das Alterssegement der Über-50-jährigen Mitarbeitenden wächst. Bei der CS Schweiz belief es sich Ende 2012 auf 20 Prozent, Ende 2016 auf 23 und Ende 2017 auf 24 Prozent. Mitarbeiter würden allerdings auch im fortgeschrittenen Alter noch die Stelle wechseln oder sich auf eigenen Wunsch ab einem Alter von 58 Jahren frühpensionieren lassen können, sagt ein Sprecher. Die UBS wiederum rechnet vor, dass der Ü50-Anteil an der Schweizer Belegschaft in den letzten zehn Jahren von ein Fünftel auf ein Viertel gestiegen sei.

Käme es zu Entlassungen, heisst es im Umfeld der einen Grossbank, sei sicherzustellen, dass keine Mitarbeiter-Gruppe systematisch benachteiligt werde. Eine Schonung der Über-50-Jährigen erschiene vor diesem Hintergrund als unfair.

Hüpfen wie ein Floh

Das ist das grosse Bild, das «big picture». Für den einzelnen langjährigen Banker öffnet sich nach einer Entlassung oft ein grosses Loch. Viele verfallen in Schockstarre. Beginnen, an ihren Fähigkeiten zu zweifeln.

Der Ex-Banker im Café kennt dieses Gefühl. In diesen Momenten könne sich glücklich schätzen, wer einen starken Partner und gute Freunde habe. Doch ohne eigenes Dazutun käme man aus dem Loch nicht heraus. «Man muss sich festklammern und hüpfen wie ein Floh im Pelz», rät er.

Viel hilft es da, wenn die nötige Ausrüstung für den Sprung zur nächsten Berufung schon bereitsteht. Das eigene Profil auf Online-Netzwerken wie Linkedin oder Xing, ein moderner Lebenslauf, Kurzprofil, Kompetenzportfolio: Das alles gilt es, stets à jour zu halten, um nach einer Entlassung nicht bei Null anfangen zu müssen.

Karrierecoach Keller sieht hier aber auch die Arbeitgeber in der Pflicht. Idealerweise sollten Unternehmen regelmässig mit ihren Angestellten Standortbestimmungen durchführen und die Ergebnisse beidseits auf die Bedürfnisse abgleichen. «Teure Outplacement-Programme im herkömmlichen Sinn werden so überflüssig und sind definitiv out», findet er.

«UBS Mobility» und «Netzwerk 50 Plus»

Die Grossbanken versichern, in dieser Sache nicht untätig zu sein. So lancierte die UBS Anfang 2013 eine Initiative für lebenslanges Lernen, die sich insbesondere an Mitarbeiter ab 45 Jahren in der Schweiz richtet. Dabei geht es um Standortbestimmung und Karriereplanung sowie Fortbildungen etwa in Technologie, Self-Branding und Networking.

Zusätzlich bietet die Bank mit «UBS Mobility» einen Ansatz, um Mitarbeiter durch interne Stellenwechsel weiterzuentwickeln. «Nicht zuletzt legt die UBS grossen Wert darauf, intern zu rekrutieren», heisst es beim Institut.

Frühzeitig Gedanken machen

Die CS führte ihrerseits 2016 das «Generational Mentoring» ein, bei dem Mitarbeitende «in allen Lebensphasen» bei der Fortbildung unterstützt werden. Im Netzwerk «50 Plus» finden mittlerweile rund 850 CS-Mitarbeitende zu Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen zusammen.

Im Bereich Operations, dem rückwärtigen Dienst, mache man zudem gute Erfahrungen mit dem Programm «Horizonte». «Ziel ist, dass Leute in Bereichen, die in einer grundlegenden Umstrukturierung sind, sich frühzeitig Gedanken machen, was das für sie bedeutet», so ein CS-Sprecher.

Das Netzwerk entscheidet

Netzwerken – intern wie bei der CS und vor allem auch ausserhalb der Bank – ist dabei wohl die beste Jobversicherung. «Aktives Networking ist heute ein Muss und durch jeden erlernbar», rät Karriere-Coach Keller. Denn: «Stellenvermittler oder gar Executive-Search-Firmen suchen für einem keine Jobs.»

Der Banker im Café könnte diesen Rat unterschreiben. Er ist heute vor allem Dank seines beruflichen Netzwerks als unabhängiger Vermögensverwalter unterwegs. Jetzt ist er daran, sein Beziehungen zu neuen Kunden zu knüpfen, und alte Banden aufzufrischen. «Das alles braucht viel Geduld». Der Karrierewechsel ist für ihn noch längst nicht abgeschlossen.

Artikel erschienen am 25. Juni 2018 auf Finews.

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